Spanien: Die Auswertung

Spanien: Die Auswertung

Ich bin wieder gut in Deutschland angekommen, brauchte aber erstmal eine Woche für alle möglichen Erledigungen und um mich ein bisschen auszuruhen… aber hier ist er: der große Auswertungs-Post!

Warp-Musik. Bildschirmflimmern. Dann: Vintage-Filter vor den Bildern. Wir bewegen uns mal eben in der Zeitmaschine zurück in eine längst vergangene Zeit, an einen im weit entfernten Spanien gelegenen Ort namens San Sebastián. Wobei, eigentlich fühlt es sich nur so an, denn zwischen dem Flashback und heute sind gerade mal 10 Tage vergangen… aber es kommt mir vor, als wäre ich mindestens seit einem Monat wieder zu Hause :O

Also, Flashback nach San Sebastián: Der Rucksack ist gepackt, alles verstaut und doppelt gesichert. Das Raincover drübergezogen, dann die Rückseite mit einem Müllsack und reichlich Klebeband zugeklebt, sodass auch ja kein Träger oder Bändchen oder Reisverschluss rausschaut und sich in einem Gepäckband verhaken kann. Denn: Es geht zum Flughafen! San Sebastián hat tatsächlich einen eigenen! Das Terminalgebäude ist insgesamt deutlich kleiner als der Aschaffenburger Hauptbahnhof, es gibt 6 Check-In-Schalter, 6 Gates und genau ein kleines Café, in dem ich mit meinem Laptop sitze und auf das leere Rollfeld hinausschaue. Denn der nächste Flieger, der hier startet, ist meiner – und bis dahin sind es (planmäßig) noch fast drei Stunden. Ich habe deutlich zu viel Puffer eingeplant, definitiv!
Und so nutze ich die Zeit, um ein paar Auswertungen vorzubereiten, die ich euch hier nun präsentieren möchte:

1. Die Route

Schöne Orte, schöne Fotos, schöne Geschichten – aber wie war denn nun der geographische Zusammenhang von dem ganzen? Tadaa, ich präsentiere: Meine Reiseroute!

1punkte
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Kartendaten © 2018 GeoBasis-DE/BKG (©2009). Google, Inst. Geogr. Nacional

Die Mittelmeerküste habe ich bewusst ausgelassen, da dort das Zentrum des Auslandstourismus ist und ich meinen Fokus lieber auf das Hinterland wie Extremadura, Castilla y León und Galicien setzen wollte.

Insgesamt bin ich also über 3000 km und mehr als 40 Stunden quer durch Spanien gefahren und habe dabei über 30 Städte und Dörfer besichtigt! Eine ganz stolze Anzahl, findet ihr nicht?

Hier nochmal in Tabellenform (die Links führen euch direkt zum jeweiligen Blogeintrag!):

Ort Ankunft Abreise Nächte
Malaga 16.03.2018 19.03.2018 3
Almuñécar 19.03.2018 21.03.2018 2
Granada 21.03.2018 24.03.2018 3
Almería 24.03.2018 27.03.2018 3
Jaén (mit Úbeda und Baeza) 27.03.2018 29.03.2018 2
Cordoba 29.03.2018 01.04.2018 3
Sevilla 01.04.2018 06.04.2018 5
Càdiz 06.04.2018 08.04.2018 2
Lagos 08.04.2018 11.04.2018 3
Lissabon (mit Sintra) 11.04.2018 15.04.2018 4
Mérida 15.04.2018 18.04.2018 3
Cáceres 18.04.2018 23.04.2018 5
Plasencia 23.04.2018 25.04.2018 2
Salamanca (mit Ávila) 25.04.2018 29.04.2018 4
León 29.04.2018 02.05.2018 3
Ponferrada 01.05.2018 02.05.2018 1
Pontevedra 02.05.2018 04.05.2018 2
San Vicente do Mar (Workaway) 04.05.2018 03.06.2018 30
Santiago de Compostela 03.06.2018 08.06.2018 5
Fisterra 08.06.2018 11.06.2018 3
A Coruña 11.06.2018 14.06.2018 3
Gijon (mit Oviedo) 14.06.2018 21.06.2018 7
Santander 21.06.2018 23.06.2018 2
Bilbao 23.06.2018 26.06.2018 3
San Sebastián 26.06.2018 29.06.2018 3

2. Das Geld

Schön wär’s, aber ohne Geld funktioniert Reisen nicht. Aus reinem Interesse habe ich jede Ausgabe unterwegs mitgeschrieben, und somit kann ich euch nun die genauestmögliche Kostenstatistik für meine Reise zeigen.

Zwischendurch habe ich einen Monat lang ein Workaway gemacht, währenddessen hatte ich keinerlei Kosten – deshalb gibt es für die Tages-Mittelwerte zwei Zeilen. Die erste rechnet mit den gesamten 105 Tagen, die ich unterwegs war, die zweite zieht die 29 Tage Workaway ab und zeigt somit die Durchschnittskosten alleine für die Reisetage.

Ich habe alles aufgeschlüsselt in die Kategorien Fortbewegung (Bus, Bahn, Stadtbus, Taxi), Übernachtung (Hostels, Couchsurfing, Workaway), Konsum (Einkauf, auswärts Essen und Trinken, sonstige Sachen wie Ersatzschuhe und ein kaputter Handybildschirm) und Eintritt (Museen, Sehenswürdigkeiten, …).

Nicht enthalten sind die Flüge – den Hinflug mit 90€ habe ich zu Weihnachten geschenkt bekommen, den Rückflug mit 135€ müsste man ggf. noch addieren. Auch Ausrüstung, die ich im Vorfeld gekauft habe, ist nicht mitgerechnet, da  ich die ja sowieso noch weiterhin brauchen kann und sie nichts speziell mit den Kosten dieser Reise zu tun hat. Außerdem hatte ich noch eine Auslands-Krankenversicherung für 141,75€ abgeschlossen, die nicht mitgerechnet ist.

Fortbewegung Übernachtung Konsum Eintritt Gesamt
Gesamt 449,93 € 1.262,23 € 1.362,43 € 228,36 € 3.302,95 €
Pro Tag (alle) 4,29 € 12,02 € 12,98 € 2,17 € 31,46 €
Pro Tag (nur Reise) 5,92 € 16,61 € 17,93 € 3,00 € 43,46 €
Prozent 13,6 38,2 41,2 6,9 100,0

Insgesamt, zuzüglich Versicherung und Flüge, hat die Reise also über den Daumen gepeilt 3.500€ gekostet – das entspricht ziemlich genau 1.000€ pro Monat. Dabei ist jedoch ein gesamter Workaway-Monat ohne Ausgaben berücksichtigt.

Spanien ist kein billiges Reiseland, das steht fest! Ich habe relativ sparsam gelebt, oft selbst im Hostel gekocht, dabei jedoch nie geknausert und gerne auch mal ein Bier, Frühstück oder Eis auswärts zu mir genommen, ich würde sagen, gutes Mittelmaß. Sowohl Übernachtungs- als auch Lebensmittelpreise unterscheiden sich nur gering von Deutschland, insbesondere in den touristischen Städten ist man im Supermarkt oder im Hostel mindestens das gleiche oder sogar mehr an Geld los wie zu Hause. Eine Nacht im Hostel hat mich im Durchschnitt 19,07€ gekostet, wobei die Preise pro Nacht zwischen 12€ (Lissabon, Portugal), bzw. 13 (Ponferrada, Spanien) und 35€ (San Sebastián) schwanken.
Gerade im Vergleich mit östlichen oder ärmeren Ländern wie Thailand oder Rumänien reist man in Spanien also doch relativ teuer, aber definitiv auch sehr komfortabel – Hostels, öffentliche Verkehrsmittel und die gesamte Infrastruktur entsprechen meistens definitiv mitteleuropäischen Standards!

3. Die Highlights

Wo hat es mir am besten gefallen?
1. Lissabon/Sintra
2. Cáceres
3. Pontevedra

Welches war das schönste Hostel?
Casa Caracól in Cádiz

Wo würde ich am ehesten nochmal hin?
Lissabon und Sintra, am liebsten mit viel Zeit und viel Geld 😀

Wo würde ich nicht unbedingt nochmal hin?
Mérida, Salamanca, León, Almería, Jaén

Was waren die schönsten Einzelerlebnisse/Besichtigungen?
1. Parque da Pena, Sintra
2. Alhambra, Granada
3. Dehesas rund um Cáceres

Was waren die besten Fotos?
Puh, das wird schwer. Ich suche trotzdem die besten 15, in aufsteigender Reihenfolge, für euch raus:

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Wow, was für eine Reise. Die dreieinhalb Monate kamen mir vor wie mindestens ein halbes Jahr. Die Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse werden auf jeden Fall noch lange bleiben! Ganz besonders schön war es natürlich, dass mich so viele Leute hier online begleitet haben – danke für die vielen Kommentare und Nachrichten, es freut mich, dass es euch so gut gefallen hat!

Jetzt bin ich erstmal ein Weilchen in der Heimat, denn hier wartet schon das nächste Großprojekt auf mich: Ein Festival will auf die Beine gestellt werden! Aber ich lasse demnächst sicher nochmal wieder hier von mir hören – bis dahin vielen Dank für’s mitlesen. ¡Hasta luego, y sólo lo mejor a todos!

Das große Finale!

Unglaublich viel ist passiert seit dem ersten Beitrag hier, und doch waren es gerade einmal dreieinhalb Monate, seit euch die ersten Bilder aus Málaga erreichten. Jetzt bin ich einmal rum, am anderen Ende Spaniens, und morgen geht der Flug zurück nach Frankfurt – Zeit, euch von der letzten und wohl auch einer der schönsten Städte unterwegs zu berichten! 🙂

Einmal noch die übliche Routine: Alle Kleidungsstücke falten, in Vakuumbeutel, zusammenrollen, den Rest in gewohnter und geübter Manier im Rucksack verstauen, und auf zum Busbahnhof. Diesmal dauert die Fahrt nur eine knappe Stunde, und sie führt mich in die zweite Metropole des Baskenlandes: San Sebastián, oder Donostia auf Baskisch. Aus vielen Gründen freue ich mich bereits auf diese Stadt, war es doch eine der ersten Verbindungen, die ich zu Spanien überhaupt hatte. Damals in der Schule gab es jedes Jahr einen Spanisch-Austausch mit San Sebastián, aber leider war ich ein Jahr zu spät an die Schule gewechselt und mein Kurs hatte den Austausch bereits hinter sich – San Sebastián also knapp verfehlt, aber Fotos und Geschichten kamen natürlich damals schon reichlich bei mir an. Und alle waren begeistert von Stadt, Kultur, Meer und allem drum und dran.
Auch sämtliche Reiseführer preisen San Sebastián ganz besonders an, als Welthauptstadt des guten Essens oder als Heimat des schönsten Stadtstrandes der Welt. Apropos Essen, tatsächlich ist San Sebastián weltweit die Stadt mit den meisten Michelin-Sternen, den meisten Drei-Sterne-Restaurants und dem weltweit einzigen Koch mit vier Sternen!
Und schließlich noch aus einem ganz profanen Grund: San Sebastián war von vornherein als Endpunkt meiner Reise geplant, einfach schon wegen seiner geographischen Lage, und ich bin gerade echt ein bisschen reisemüde. Ich hab grade ehrlich gesagt einfach genug von schlechten Betten in lauten Hostel-Schlafsälen, alle paar Tage eine neue Stadt zu erkunden und von all diesen vielen Eindrücken, die auf einen einströmen.

Umso mehr nehme ich die Herausforderung an, ein letztes Mal so richtig alle Seiten der Stadt kennen zu lernen, jede Ecke zu sehen, nichts zu verpassen und alles zu fotografieren – darin habe ich nämlich inzwischen eine ganze Menge Übung!
Als ich ankomme, begrüßt mich strahlender Sonnenschein und knallige Hitze, aber im Gegensatz zu Bilbao ist alles viel angenehmer – man spürt die angenehm frische Brise, die vom Meer hereinweht! Endlich wieder Wasser 😉

Da ich bereits mittags angekommen bin, nutze ich den Nachmittag für eine erste Erkundungstour auf den Berg, der das Ende der Landzunge um die Bucht herum bildet, auf dem sich die Altstadt befindet. Ganz oben ist eine Burg zu besichtigen und eine Jesusstatue wacht über ganz San Sebastián. Leider habe ich die Kamera vergessen, aber gut, dann komme ich eben morgen wieder^^

Gesagt, getan, am nächsten Tag wieder ein Frühstart, um der Hitze zu entgehen. Tja, das war aber unnötig, denn über Nacht ist es deutlich zugezogen und viel kühler und bewölkter. Schade für die Fotos, die werden bei blauem Himmel halt einfach schöner – aber egal, auf geht’s, eine letzte Besichtigungstour. Erst geht’s nochmal auf den Urgull, so heißt der Hügel (nein, liebe Eragon-Fans, Urgals habe ich dort trotzdem nicht getroffen. Besser so.), von wo aus ein paar schöne Schnappschüsse gelingen und man sich einen guten Überblick über alles verschaffen kann.

Danach geht’s dann einmal den langen Strand „La Kontxa“, also die Muschel, entlang, denn auf der anderen Seite gibt es einen noch höheren Berg, auf den eine Zahnradbahn hochfährt. Zumindest ab 11 Uhr – ich bin aber leider aufgrund meines Frühstarts schon um 10:15 da… na, was solls, wird eben etwas Sport gemacht. Und auf dem Fußweg nach oben bietet sich auch noch der eine oder andere schöne Ausblick!
Auf der Kuppe erwartet mich eine Art Mini-Freizeitpark – irgendwie fühlt man sich mitten in die Achtziger zurückversetzt, und man kann sich fast noch vorstellen, wie er damals seine Blütezeit gehabt haben muss. Heute ist davon jedenfalls nichts mehr übrig, alles ist stark heruntergekommen und verströmt nur noch den morbiden Charme längst vergangener Zeiten.
Was sich allerdings von dort oben bietet ist ein atemberaubender Ausblick, besonders nachdem der Aussichtsturm auf der Bergspitze erklommen ist, dessen Plattform sich fast 200 Meter über dem Meer befindet. Nach einiger Zeit und zahllosen Fotos kommt die Einlassdame nachsehen, ob oben alles okay ist (ich bin der einzige Gast um diese Uhrzeit…), und muss lachen, als sie mich grade bei dem Versuch ertappt, mit der großen Kamera ein Selfie zu machen, möglichst kein Geländer und viel von der Bucht mit drauf zu bekommen, und mich gleichzeitig der verboten niedrigen Brüstung nicht allzu sehr zu nähern… 😀

Der nächste Tag gehört dann ganz der Stadt: Nach einer ausgiebigen Portion Schlaf, die letzte Nacht endete nämlich mit einer großen und sehr feucht-fröhlichen Party im Hostel (immer diese Party-Animal-Australier… :D), geht es trotz viel zu grellem Licht los, erst die Altstadt, dann die Neustadt und schließlich noch einen mittendrin gelegenen kleinen Park zu erkunden. Zwischendurch mache ich an mindestens drei Cafés halt, um mich mit einem Café Americano für die nächsten zwei Kilometer zu wappnen, und doch bieten sich hervorragende Ansichten und schöne Fleckchen, und so hat sich die letzte Besichtigung in Spanien definitiv gelohnt – San Sebastián ist wirklich eine wunderschöne, super lebenswerte Stadt, mit der perfekten Kombination aus Plätzen, Straßen, Alleen, Cafés, Bars, Restaurants, Strand, Natur und Ausblicken – nur ziemlich teuer ist hier alles, das Preisniveau kann locker mit München Innenstadt mithalten! :O Naja, wollen halt wohl viele Leute hier her, und das ist irgendwie auch verständlich!

Heute Abend soll es angeblich noch eine Full-Moon-Party am Strand geben… ich dachte, das wäre eher so Thailand-Sache, aber mal schauen – sollte es nicht wieder anfangen zu regnen, was es heute leider schon den ganzen Tag über immer wieder tut, schau ich bestimmt mal vorbei, die Australier sind sowieso am Start, und wie das in Hostels so ist, kommen bestimmt noch einige weitere Leute mit.

Ihr hört wieder von mir, wenn ich sicher in Frankfurt gelandet bin – vielleicht kann ich ja auch ein paar schöne Nachtfotos vom Landeanflug knipsen. Das letzte Mal war das nämlich ziemlich schön (Anm. der Red.: Das war 1998, Rückflug von Menorca – ich weiß nicht mehr viel aus der Zeit, aber die Bilder sind hängen geblieben!). Ansonsten kommt definitiv demnächst noch ein Auswertungs- und Statistikpost, aber erstmal heißt es jetzt alles flugzeuggerecht packen, die letzte Hostelnacht hinter mich bringen, und große Vorfreude auf ein eigenes Bett in einem Zimmer ohne andere Leute… Also, bis bald, und jetzt klacken schon die ersten Bierdosen in der Hostelküche, um so eine wundervolle Zeit gebührend ausklingen zu lassen. Grüße von der hier versammelten halben Welt! 🙂

 

Phönix aus der Asche

Phönix aus der Asche

Die Vergangenheit meinte es nicht unbedingt immer gut mit Bilbao. Aus der kleinen Siedlung an einem Fluss kurz vor seiner Mündung ins Meer wurde aufgrund der Lage schon bald eine wichtige Hafenstadt. Nahegelegene Eisenmienen wurden erschlossen, und der Hafen entwickelte sich zu einem Hauptumschlagplatz für Baumwolle, Kabeljau und Walfleisch.
Im 19. Jahrhundert kam dann die Industrie – neben einem immer größer werdenden Hafen wurde nun auch im großen Stil Metall verarbeitet. Die Stadt begann, bis auf die andere Seite des Flusses zu wachsen und wurde größer und größer – dabei aber sicher nicht schöner, denn der große Industriehafen lag mitten im Zentrum und die ungefilterten Abgase der Industrie setzten den Fassaden zu. In den 1980er Jahren war Bilbao bekannt als „die graue Stadt“, und als wäre das alles noch nicht genug, wurde sie von einem verheerenden Hochwasser heimgesucht, dass das gesamte Stadtgebiet fast 3 Meter unter Wasser setzte, und erlangte traurige Berühmtheit als Hochburg der Terrorgruppe ETA, die mit fragwürdigsten Mitteln für die baskische Unabhängigkeit kämpfte.

Genau, ich habe mal wieder das „Bundesland“ gewechselt und bin jetzt im Baskenland (País Vasco) – die vielleicht autonomste der autonomen Regionen Spaniens. Noch wesentlich mehr als Galicien fühlt man sich hier als etwas eigenes, eine eigene Nation mit Unabhängigkeitsbestrebungen, die schon so alt sind wie das Land selbst. Auch eine eigene Sprache gibt es hier, und die ist, im Gegensatz zu z.B. Katalán oder Galicisch, etwas komplett eigenes ist, und mit wirklich keiner anderen Sprache auch nur entfernt verwandt.

Nun begann man also in der 80ern damit, sich Gedanken zu machen, wie man die Zukunft dieser hässlichen, grauen und gefährlichen Stadt besser gestalten könnte. Das Ergebnis war ein völlig neues Konzept: Der Hafen wurde einige Kilometer Richtung Meer verlegt. Die freiwerdenden Flächen in der Stadt wurden bepflanzt und zu Naherholungsflächen umgebaut, sämtliche Fassaden gesandstrahlt, Fußgängerzonen eingerichtet und alles auf Tourismus ausgerichtet.
Wahrzeichen dieses Wandels ist das 1998 eröffnete Guggenheim-Museum, ein wirklich spektakuläres Bauwerk auf ehemaligem Hafengelände, das wie ein Leuchtfeuer in die Welt hinausträgt: Hier ist eine sehenswerte Stadt.

Und das ist Bilbao heutzutage wirklich – läuft man durch die Straßen der Altstadt, am Fluss entlang oder durch die Neustadt zum Park- und Museumsviertel, so kann man sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass das hier vor 30 Jahren noch eine der hässlichsten Städte Spaniens gewesen sein soll.
Ich habe besonders großes Glück, denn mein Besuch wird zudem von strahlendem Sonnenschein gekrönt – wenn doch nur die Hitze nicht so extrem wäre, zwischen 13 und 18 Uhr mag man das Hostel am liebsten gar nicht verlassen. Und so stehe ich früh auf und bin bereits um kurz nach acht unterwegs zu einer Erkundungstour durch die Altstadt, vorbei an historischem Schmalspurbahnhof, baskischem Nationaltheater und vielen kleinen und großen Plätzen bis zur Markthalle am Fluss:

Auf dem Rückweg wird es dann schon so warm, dass ich spontan die Kathedrale mitten in der Altstadt besichtige – dort ist es zum Glück noch angenehm kühl:

Danach rette ich mich mit letzten Kräften ins Hostel und stelle mich erstmal unter eine kalte Dusche, und verbringe den Nachmittag gemütlich im Zimmer – Rausgehen ist schlicht unmöglich!
Derweil ist hier Zeit für eine kleine Anekdote: Einst wollte einer der vielen Kabeljauhändler in der Stadt Nachschub bestellen. Hundert oder Hunterzwanzig Einheiten. Er schrieb also auf Spanisch auf die Bestellung „100 o 120 unidades“ – „o“ ist hier das spanische Wort für „oder“. Jetzt werden einige schon ahnen, was geschah: Man lieferte ihm nicht hundert, nicht hundertzwanzig, sondern 1.000.120 Einheiten Kabeljau, man hatte das „o“ für eine Null gehalten! Was ihn beinahe ruiniert hätte, stellte sich dann jedoch als Geschäft seines Lebens heraus: Wenige Wochen später wurde Bilbao wieder einmal belagert (das geschah hier öfter, mit den Nachbarn haben sich die Basken noch nie so gut verstanden…), und er war die einzige Nahrungsquelle für die Bewohner der Stadt. Und so machte er mit seinem gepökelten Kabeljau ein Vermögen, und sein Laden ist heute noch der größte und bekannteste Kabeljauhändler der ganzen Region. Und gesalzener Kabeljau eine unverzichtbare Grundzutat für viele traditionelle Gerichte aus Bilbao.

Frisch gestärkt, wenn auch eher durch kühlen Cider als durch Kabeljau, mache ich mich wieder auf den Weg. Es ist zwar immer noch zu heiß draußen, aber das Guggenheim-Museum ist ja schließlich perfekt klimatisiert, damit sich die wertvollen Gemälde nicht verflüssigen. Und so bestaune ich fast zwei Stunden lang die riesige Sammlung moderner Kunst. Manches davon ist wirklich sehenswert, anderes sieht eher nach Unfall mit Farbbeutel aus – und zum Schluss sehe ich auf einer Tafel, dass gerade der „Bilder“-Zyklus, der am verunfalltesten aussieht, wohl der wertvollste des Museums ist. Naja, muss man mögen, oder auch nicht, sehenswert ist das ganze auf jeden Fall, und wenn schon alleine wegen der Architektur des Museums.
Von drinnen gibt’s leider keine Fotos, da verboten, aber ich nehme euch gerne mit auf eine Tour einmal außenrum, und gleich weiter durch den angrenzenden Park, ebenfalls auf ehemaligem Hafengelände.

Am nächsten Morgen, gleich in aller Früh, nutze ich dann wieder die angenehmen Temperaturen und mache einen Ausflug mit einer Zahnradbahn auf einen der Hügel (oder schon fast Berge?) am Stadtrand – von dort bietet sich der perfekte Ausblick über die Stadt und das Umland:

Von grauer Industriestadt ist hier auf jeden Fall nichts mehr zu sehen – Bilbao ist wirklich ein Musterbeispiel dafür, wie eine Stadt sich mit dem richtigen Konzept innerhalb einiger Jahre komplett neu erfinden kann. Einen Besuch wert, auf jeden Fall – das einzige, was fehlt, ist das Meer 😀 Aber das gibt es ja auch in der Nähe, und schon ist es Zeit Abschied von Bilbao zu nehmen und sich auf die nächste Stadt mit direktem Meerzugang zu freuen 😉

Mehr als nur eine Bank!

Mehr als nur eine Bank!

Santander – davon habt ihr bestimmt alle schon mal eine Filiale gesehen. Santander hat viele Außenposten in der ganzen Welt! Genauer gesagt, die gleichnamige Bank. Eigentlich ist Santander nämlich eine Küstenstadt in Nordspanien, die zwar mächtig von der Bank profitiert, aber noch viel mehr als nur Geld zu bieten hat!

Auf einer Landzunge (diesmal eine echte Zunge, keine Nase! :P) gelegen hat Santander einen natürlichen Hafen in der geschützten Bucht. Von der strengen Atlantikwitterung bleibt die Stadt auch verschont, da sich ihr Zentrum auf die der Bucht zugewandte Seite konzentriert. Und doch sucht man eine Altstadt vergeblich – auch wenn das Meer der Stadt nichts anhaben konnte, so fiel sie 1941 leider einem Großbrand zum Opfer und wurde danach rechtwinklig und neumodisch wieder aufgebaut. Die Orientierung machts das natürlich ziemlich einfach, man kann sich hier quasi gar nicht verlaufen. Und trotz wenigen übrig gebliebenen alten Gebäuden ist die Innenstadt sehenswert – man merkt wirklich, dass hier richtig Geld drinsteckt. Die Plaza Mayor, der zentrale Platz der Stadt, ist auf den ersten Blick wie jede andere Plaza Mayor Spaniens von einem großen Gebäude rundum eingefasst. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass das aber gar kein städtisches Gebäude ist, sondern die historische Zentrale der Santander-Bank!
Auch außenrum um den Platz bieten sich immer wieder schöne Ansichten, denn neben Bankgebäuden gibt es auch eine Kathedrale, zwei alte Markthallen und viele kleine Plätze zu besichtigen:

Verlässt man die Innenstadt Richtung frischer Brise, ist man in nur wenigen Minuten an der Meerpromenade, gesäumt von Restaurants und Segelclubs. Besonderer Blickfang ist der Centro Botín, ein erst 2017 eröffnetes, ziemlich futuristisch anmutendes Kunstmuseum. Rein zieht es mich nicht, aber man kann obendrauf! Und von der Dachplattform bieten sich dann richtig schöne Ausblicke über Strandpromenade, Bucht und Industriehafen. Und das besondere Gebäude ist auch selbst für ein paar interessante Schnappschüsse gut:

Am nächsten Tag stehe ich früh auf, denn es steht eine Wanderung an, und die will man logischerweise bereits beendet haben, wenn die heiße spanische Nachmittagssonne zu brennen beginnt. Ordentlich warm wird mir auf dem Weg entlang der endlosen Strände der Stadt und über eine Halbinsel mit königlichem Schloss zum Leuchtturm am Nordkap der Landzunge dann doch, denn es ist richtig schwül, und die Sonne heizt den ganzen Dunst von oben noch zusätzlich an. Aber die perfekten Ausblicke sind es wert, auf jeden Fall!

Nach kleinen Stärkung am Kiosk vor Ort beschließe ich, für den Rückweg lieber den Bus zu nehmen und erstmal eine ausgiebige Siesta im Hostel zu verbringen, bevor es am Abend abermals mit drei anderen Hostelgästen auf Getränke und Tapas in die belebten Straßen der Innenstadt geht. Und da sag noch einer, so richtig spanisch sei es nur im Süden… ich finde, die Nordküste hat auf ihre ganz eigene Weise auch richtig viel zu bieten, und vor allem dass es hier viel grüner und bewaldeter ist gefällt dem durchschnittlichen Forstwissenschaftler natürlich ganz besonders!

Fürstliche Besichtigung

Fürstliche Besichtigung

Nachdem der Surfkurs ja etwas früher als geplant vorbei war, bleibt mir eine ganze Menge Zeit in Gijon, die irgendwie gefüllt werden will. Und so beschließe ich, einen Tagesausflug in die Nachbarstadt Oviedo zu unternehmen. Schon immer gehören die beiden irgendwie zusammen, und doch sind sie total unterschiedlich.

Gijon, am Meer gelegen, ist schon immer die Stadt von Hafen, Arbeitern und rauerem Charme. Oviedo dagegen, eine halbe Stunde südlich im Inland, ist seit jeher die Stadt der Herrscher – hier residierten die Adeligen des Fürstentums von Asturias, und auch heute ist Oviedo noch die Hauptstadt der autonomen Region Asturias in Spanien. Zentrales Element der Altstadt ist die Kathedrale mit Kloster und uralter vorromanischer Kapelle, die übrigens sogar UNESCO-Weltkulturerbe ist!

Auch die Straßen zeigen überall, dass diese Stadt Geld hat – Bürgerhäuser, Bankzentralen und Universitätsgebäude stehen dicht an dicht entlang der als moderne Fußgängerzone gestalteten Straßen der kompakten Innenstadt. Universitätsstadt ist Oviedo nämlich auch – und zwar zusammen mit Salamanca und Santiago de Compostela eine der wichtigesten Spaniens. Vor allem Erasmus-Austauschstudierende aus aller Welt zieht es hier her, und so verbreiten Bars und Kneipen stets einen angenehm internationalen Flair.

Und auch mit Grünanlagen kann Oviedo trumpfen – direkt neben der Altstadt liegt einer von mehreren wunderschön grünen Parks, die von zahllosen Erholungssuchenden als Grüner Korridor auf dem Weg in die Stadt oder nach Hause gerne zum durchatmen genutzt werden.

Auf jeden Fall ein deutlicher Kontrast zu Gijon – die beiden Städte ergänzen sich tatsächlich prima und bilden zusammen das kulturelle Zentrum von Asturias, das sonst hauptsächlich aus unzugänglichen grünen Gebirgen und Spaniens bekanntestem Nationalpark „Picos de Europa“ besteht. Schade, dass der mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht wirklich erreichbar ist – und so geht es für mich weiter entlang der Küste… doch dazu mehr im nächsten Post 😉

Die Perfekte Welle (?)

Die Perfekte Welle (?)

Nach über einem Monat ist nun die Zeit gekommen, sich von Galicien zu verabschieden und zurück ins richtige Spanien zu fahren. Genauer gesagt geht’s von A Coruña nach Gijon, und das geht gar nicht mal so schnell. Normale Busverbindungen brauchen 5 bis 7 Stunden – da es aber zeitlich gerade so gut passt gönne ich mir stattdessen den „Supra Economy“-Bus mit Einzelsitzen, kühlem Wasser und Erdnüssen an Bord – der hält unterwegs nur zweimal, fährt direkte Strecke und ist so nach viereinhalb Stunden da!

Und gleich wartet in Gijon die erste Überraschung: Es gibt zwar 25 Stadtbuslinien, was jedoch fehlt ist ein Fahrplan! :O
Hier funktioniert alles nach dem System „Wenn ein Bus kommt, Glück gehabt – wenn nicht, tja, dann lauf halt“. Ob und wann der nächste Bus der gewünschte Linie kommt, lässt sich nicht herausfinden, das bestätigen auch die Einheimischen an der Haltestelle. Und da es schon kurz vor 10 ist, gönnne ich mir nach dem Luxusbus gleich auch noch ein Taxi ins Hostel. Das liegt nämlich ein gutes Stückchen außerhalb der Stadt und ist zu Fuß mit schwerem Rucksack nur sehr ungemütlich zu erreichen.

Im Gijon Surf Hostel angekommen wartet dann aber schon das jeden Donnerstag von einem Volunteer des Hostels zubereitete International Dinnner auf mich – perfekt, denn der letzte Tortilla-Sandwich aus A Coruña ist bereits seit Stunden verdaut. Und so wird die erste Nacht lang, bzw. auf den Schlaf bezogen kurz, aber sehr gesellig und abwechslungsreich.

Wie der Name schon verrrät handelt es sich bei meiner Unterkunft nicht einfach nur um ein schnödes Hostel, es hat zusätzlich noch eine integrierte Surfschule. Ich habe eine ganze Woche inklusive 6 Tage Surfkurs gebucht, und so geht es am nächsten Tag sogleich mit Neoprenanzug und Surfbrett (Respekt, es war beides in meiner Größe vorrätig! :D) an den Strand. Der ist leider 1,5 km entfernt, aber so kann man sich zumindest das aufwärmen sparen – selbst ein leichtes Styropor-Surfbrett wird mit der Zeit nämlich ganz schön schwer!
Die Wellen lassen am ersten Tag leider etwas auf sich warten, aber ist ja gar nicht schlecht für den Anfang. Zweimal nimmt mich sogar eine auf dem Surfbrett kniend mit, und einmal gelingt es mir, aufzustehen – aber da war die Welle leider zu schwach und ich bleibe einfach vor Ort stehen, und schon geht’s wieder abwärts 😀
Am zweiten Tag sieht das Meer schon ganz anders aus – drei bis vier Meter hohe Wellen sind an der Tagesordnung, und paddelt man diese nicht schnell genug an, wird man ganz schön durchgewirbelt. Wirklich etwas zustande bringt heute keiner, nicht einmal der Lehrer, auch das gehört wohl dazu.
Tag drei von sechs wird dann leider zu Tag drei von drei – das Meer ist so wie gestern, hat ordentlich Kraft, aber die Wellen brechen erst sehr nah am Strand. Und dann erwischt mich eine eiskalt von hinten – das Miststück bricht einfach drei Meter früher als erwartet, und alles was ich noch abkriege ist eine drei Meter hohe Wand aus Schaum und geballter Meeresgewalt, die mich vom Brett wirft, gegen den Boden drückt und den Rücken falschrum durchbiegt. Autsch! Das ging gehörig schief. Ich glaube ich bin zu lang zum surfen! Letztendlich muss mich der Surflehrer aus dem Wasser ziehen, und der Kurs ist für mich gelaufen – ich kann mich die nächsten Tage kaum bewegen, alles tut weh. So war das nicht geplant…

Naja, zwei Tage später reicht es dann zumindest für einen kleinen Ausflug über die kilometerlange Strandpromenade in die Stadt. Gijon hat ein winzig  kleines historisches Zentrum auf einer kleinen Halbinsel, eher Landnase als Landzunge, aber schon seit Römerzeit bewohnt. Dort finden sich um die Plaza Mayor, den zentralen Platz samt Rathaus, viele kleine Gässchen mit den typischen Sidrerías. Sidra, das ist so was ähnliches wie Apfelwein und das Nationalgetränk von Asturias (das ist das „Bundesland“, in dem Gijon liegt). Eingeschenkt wird traditionell mit der Flasche über dem Kopf und dem Glas unter Hüfthöhe, um dem Sidra das ganz eigene Prickeln zu verleihen – und immer nur ein Schluck, der direkt getrunken wird, bevor der nächste kunstvoll eingegossen wird (oder auch weniger kunstvoll, wenn man es selbst tut und nicht einer der geübten Kellner…).

Gestärkt mit Sidra und Tortilla geht es dann noch weiter an die Spitze der Halbinsellandnase (yeah, Wort des Jahres-Kandidat!), wo sich eine besondere Statue befindet. Versteht man aus der Ferne auch noch nicht ganz den Sinn des Betongebildes und hält es vielleicht für  moderne Kunst, so offenbart dieser sich doch, sobald man darunter steht – obwohl das Meer viele Meter tiefer hinter einer Klippe liegt,  hört man es hier rauschen, als stünde man direkt am Strand. Die Skulptur reflektiert so geschickt den Klang, dass man sich in einem Kreis nicht größer als 3m Durchmesser akustisch wie direkt am Meer fühlt!
Von dort hat man auch Ausblick auf den riesigen Industriehafen, wo Chemikalien, Kohle und Textilien im großen Stil umgeschlagen werden.

Zurück geht es dann durch die neuen Bereiche der Stadt – gefühlt endlos reiht sich hier ein rechteckiger Hochhausblock an den nächsten, und doch ist das Betonmeer immer wieder von kleinen Parks und Grünanlagen durchbrochen, die die Einheimischen gerne als Treffpunkt und soziales Zentrum nutzen.

Wenn vielleicht auch nicht die schönste von allen, so ist Gijon auf jeden Fall doch eine sehr belebte Stadt, und insbesondere der riesige zentrumsnahe Strand gibt dem ganzen einen wirklich besonderen Flair!

Dem besorgten Leser sei an dieser Stelle nochmal versichert, ich bin okay! Der Rücken tut zwar immer noch weh und einige Muskelzerrungen sind präsenter als gewünscht, aber es wird jeden Tag besser, und die Reise konnte ich auch problemlos fortsetzen! 🙂

(Hamburg+Malága)/2

Das Hamburg des Südens? Das Málaga des Nordens? Irgendwie hat A Coruña von beidem etwas. Der Hafen, die Häuser, das viele Wasser (Meer und Regen…), das erinnert stark an Hamburg. Der Strand, die Promenade, das warme Wetter, die Palmen, die einfache und fröhliche Lebensart, da fühlt man sich in ein weniger touristisches und besser situiertes Málaga versetzt. Und auch geographisch liegt A Coruña irgendwo zwischen den beiden 😀

Heute von vielen Touristen unbeachtet und eher am hinteren Ende Spaniens gelegen war A Coruña jedoch lange Zeit Hauptstadt des Königreichs Galicien, das damals noch deutlich größer war – und das spürt man auch heute noch. Irgendwie versprüht die Stadt Hauptstadtatmosphäre, mit ihren vielen hohen Häusern, geschäftigem Treiben, teuren Einkaufsstraßen, Bankenviertel und Hafenpromenade. Die geographische Lage tut das ihre dazu – die Altstadt befindet sich auf einer Halbinsel, die in einen der vielen galicischen Fjorde hinausragt. Diese kann man auf dem Paseo Maritimo einmal komplett zu Fuß umrunden, und dann noch entlang des riesigen, zentralen Stadtstrands weiter bis auf eine Festlandnase spazieren. Damit hat A Coruña den längsten Seeboulevard Europas, und der ist auch noch besonders schön herausgeputzt.

Zuerst unternehme ich jedoch eine Tour von der Praza de Maria Pita, dem zentralen Platz der Stadt, durch die (ziemlich kleine) Altstadt. Schöne romanische Kirchen wechseln sich mit Parks ab – und es wartet eine besondere Entdeckung auf den Forstwissenschaftler: Riiiesige, uralte Flatterulmen, komplett unbeeinträchtigt von Ophiostoma novo-ulmi – heutzutage wirklich eine Seltenheit! Und dahinter offenbart sich ein perfekter Blick über den Hafen, und als Kai am Kai ankommt, wird auch klar, warum A Coruña „Ciudad de Cristal“ genannt wird – nirgendwo gibt es so viele der typisch galicischen Fenstergalerien wie hier.

Am nächsten Tag traut sich die Sonne dann auch nach über 2 Wochen Regen endlich wieder hinter den dicken Wolken hervor, und plötzlich fängt A Coruña an, einen ganz besonderen Flair zu  verströmen – Fenstergalerien der vielen hohen Häuser glitzern in der Sonne mit dem Meer in der Bucht, an deren Ende sich die halbe Stadt am kilometerlangen Strand sonnt, um die Wette. Ich nutze den Tag für einen Spaziergang entlang der Promenade, vom Festland am Strand entlang auf die Halbinsel und weiter zu deren Nordspitze, wo A Coruñas Wahrzeichen wartet: Der Torre de Hercules – der älteste noch in Betrieb befindliche Leuchtturm der Welt!

Bereits die Römer gründeten hier, an dieser geographisch besonderen Halbinsel, eine erste Stadt, und an der Spitze der Halbinsel errichten sie bereits etwa 60 v. Chr. einen Leuchtturm, der Schiffen den Weg in den natürlichen Hafen wies. Der verfiel zwar immer mal wieder und wurde dann wieder restauriert, ist aber mit Unterbrechungen bis heute an genau derselben Stelle mit denselben alten Mauern in Betrieb. Und: Man kan ihn besichtigen! Und von oben ist der Ausblick auf die Stadt dann so richtig beeindruckend!
Danach geht es weiter entlang der Promenade, vorbei am Sporthafen und dem ziemlich futuristisch anmutenden Turm der heutigen Hafenleitstelle zum Castillo San Antón, das in antiken Zeiten zusammen mit zwei anderen Wasserkastellen die Hafeneinfahrt vor ungebetenen Gästen schützte. Schließlich komme ich wieder am Hafenkai an, wo gerade Stände und Bühne für das Festivál de Sabores Atlanticos, also das Festival der atlantischen Genüsse, aufgebaut wird. Ich halte kurz inne, und der Geruch heißer Zeltplanen und frisch zusammengeschraubte Holzlatten versetzen mich für einen Moment mental aufs Sound of The Forest, und während mir die Sonne in den Nacken scheint und der Hafen nach Fisch und Atlantik riecht, mischen sich Vorfreude und Begeisterung für den Moment.

Nach einer ausgiebigen Siesta unternehme ich später noch einen Spaziergang zu einem Stadtpark, in dem sich zu meinem Erstaunen eine (weitestgehend) holländische Windmühle findet, und weiter zur historischen Fabrik von Estrella Galicia, Spaniens bestem und populärstem Bier. Die ist heute zum Brauereiausschank umfunktioniert und lädt mit wundervoll herausgeputztem Steampunk-Charme zum Genuss einer Caña frisch gezapften Kellerbiers ein.

In Galicien gibt es den Spruch „In Vigo arbeitet man, in Santiago betet man, in A Coruña genießt man“… und ich denke, der trifft es wirklich auf den Punkt – diese Stadt ist voller Genüsse, kulinarischer, visueller und olfaktorischer Natur. Auf jeden Fall einen Besuch im äußersten Nordwesten Spaniens wert!

 

Bis ans Ende der Welt…

Bis ans Ende der Welt…

Im letzten Beitrag hab ich es schon angekündigt: Der Camino ist noch nich vorbei! Nach Santiago geht es für die Pilger, die noch Kapazität in Füßen und Zeitplan haben, weiter bis nach Fisterra. Wieder mal ein Name, den man über seinen lateinischen Ursprung erklären kann: Vor der Entdeckung Amerikas befand sich hier das Ende der bekannten Welt, der absolut äußerste Westen. Lateinisch finis bedeutet Ende, Grenze, und terrae ist der Genitiv von terra, also Erde. Finisterra ist also das Ende der Welt, ganz wortwörtlich. Mit der Zeit wurde daraus dann Finisterre, heute noch gebräuchliche Bezeichnung für das Kap. Und da die Spanier alles gerne sehr schnell aussprechen, heißt das drei Kilometer nördlich gelegene Städtchen heute nur noch Fisterra, das „ni“ ist irgendwo verloren gegangen…

Ich jedenfalls entscheide mich (wie auch viele Pilger) gegen den Fußweg und für den Bus – der fährt von Santiago aus jede Stunde nach Fisterra. Leider ist mein erster Tag von ziemlich starkem Regen geprägt, aber ein paar Häuser weiter entdecke ich eine Hippiekommune, die sich hier niedergelassen hat, im eigenen Garten Gemüse und sonstiges Grünzeug anbaut und in ihrem Haus unten gemeinschaftlich eine Bar betreibt. Hier bekommt man entweder ein super günstiges, regionales und veganes Pilgermenü aus Suppe, Hauptspeise und Nachtisch, oder man beteiligt sich am Community Dinner auf Spendenbasis, das ebenfalls extrem lecker und regional-vegan-bio ist! Später kommt dann sogar doch noch ein bisschen Sonne zwischen den Wolken hervor, und ich unternehme noch einen abendlichen Strandspaziergang entlang der Innenseite der Bucht, die durch die Halbinsel von Finisterre vom Atlantik geschützt liegt.

Am nächsten Tag ist besseres Wetter vorhergesagt, und so unternehme ich bei zwar weiterhin recht wechselhaftem, aber zumindest regenfreiem Wetter eine Wanderung zum auf der Atlantikseite der Halbinsel gelegenen wilden Strand namens Mar de Fora, der mit seiner wilden Schönheit und dem Wechsel aus Sonne und Nebel eher an Schottland als an Galicien erinnert – oder zumindest in Erinnerung ruft, wie ähnlich diese beiden Landstriche wohl sind.
Weiter geht es auf den höchsten Berg der Halbinsel, wo sich von einem ehemaligen keltischen Ritualplatz aus wundervolle Ausblicke auf Atlantik, Fjord, Stadt und wolkenumwaberte Hügel bieten.
Schließlich kommt das definitive Ende der Welt in Sicht – der Leuchtturm am Kap Finisterre, dereinst letzter Sichtkontakt zu europäischem Festland für Schiffe auf dem Weg nach Amerika. Wie aus Schottland und Irland wanderten im 19. Jahrhundert auch viele Galicier aufgrund schlechter Ernten und Armut dorthin aus, und so war dieser Ort für viele auch das letzte, was sie je von der Heimat sahen.
Bis zum absoluten Ende des Landes schlage ich mich durch, dort, wo nur noch Steilhänge hinunter ins Meer gehen und man überall verbrannte Pilgerutensilien findet… ein Brauch, der vor allem durch Hape Kerkelings Buch in Deutschland populär wurde und heute äußerst ungern gesehen ist – schadet er doch ziemlich der Umwelt und vermüllt das Kap.
Danach gibt es einen Kaffee am Leuchtturm, ein paar Fotos, und dann geht es wieder zurück in Richtung Zivilisation. Auf jeden Fall ein sehr interessanter Ausflug, hier muss man wirklich mal gewesen sein 😉

Kompoststellage oder Sternenfeld?

Juhuu, die Reise geht weiter! Nach vier Wochen in San Vicente do Mar wird es Zeit, sich wieder auf die Reise zu machen und den Rest Galiciens und Nordspaniens kennenzulernen!
Als erstes führt mich der Weg nach Santiago de Compostela (was das Compostela bedeutet, dazu später mehr…) – und hier habe ich bereits einen Anlaufpunkt. In der Strandbar habe ich ein paar Leute kennengelernt, die zu einem Konzert da waren, eigentlich aber in Santiago wohnen. Und die haben mich eingeladen, bei ihnen in der WG zu übernachten. Das ist natürlich eine ganz besonders tolle Option, Santiago zu bereisen – prima Leute, gute Gesellschaft und ein kostenloser Schlafplatz mitten in der historischen Altstadt, mit Blick auf die Kathedrale.

Kathedrale, genau… das ist wohl das wichtigste, was es hier in Santiago so gibt. Hier soll nämlich der heilige Jakob, Apostel und Jünger Jesu, gepredigt haben. Jesus hatte seine Jünger ausgeschickt, sein Wort bis ans Ende der Welt zu verbreiten – Jakob nahm das sehr wörtlich und begab sich ans äußerste Ende der damals bekannten Welt, hier nach Galicien. Nach seinem Ableben transportierte man seine sterblichen Überreste auf einem Schiff (der Legende nach aus Stein… ob das wirklich schwimmt?) von Jerusalem wieder nach Galicien, um ihn an seiner alten Wirkungsstätte zu begraben. Nach einigen Wirren durch schlechte Wetterverhältnisse (die scheint es hier öfter zu geben) und von der Idee eines christlichen Heiligen auf ihrem Gebiet nicht besonders begeisterte keltische Könige fanden sie dann endlich doch noch einen Platz.
Im 10. Jahrhundert wurde die Geschichte wieder bekannt, und Alfonso II. von Asturien reiste nach Galicien, um sein Grab zu finden. Das war gar nicht so einfach, doch wieder mal griff eine höhere Macht ein, und als er die dritte Nacht in Folge hunderte Sternschnuppen auf einen Berg in der Nähe regnen sah, wurde ihm klar, dass man ihm wohl irgendwas zeigen wollte. Und tatsächlich fand sich da dann das Grabkreuz des heiligen Jakobus, und daneben noch zwei kleinere Kreuze seiner Schüler, die ihn hier her gebracht hatten. Das Feld nannte Alfonso also Sternenfeld – zu Latein campus stellae. Und daher, so eine Geschichte, stammt das Compostela. Santiago ist einfach nur Spanisch für Sankt Jakob, und schon ist das Rätsel um den Namen gelüftet. Mit moderner Humusproduktion hat er auf jeden Fall nichts zu tun.

Nach so viel Geschichte jetzt aber erstmal ein kleiner Altstadtrundgang für euch:

Heute ist Santiago die Hauptstadt Galiciens, hat ein wunderschönes historisches Zentrum und eine riesige Kathedrale, umgeben von viele großen und kleinen Plätzen, in der in der Krypta die Überreste des heiligen Jakob bis heute zur letzten Ruhe gebettet sind (zumindest behauptet man das so…), und die deshalb jedes Jahr das Ziel mehrerer hunderttausend Pilger auf dem Jakobsweg (auch Camino de Santiago) ist. Die bringen neben einer ordentlichen Stange Geld natürlich auch ganz viel gute Stimmung (kein Wunder, wenn man die 1000 km zu Fuß endlich geschafft hat) und kulturelle Einflüsse aus aller Welt mit nach Santiago.
Es gibt gleich mehrere Routen, die populärsten sind diejenigen von St. Jean in Frankreich sowie aus Porto entlang der portugiesischen Küste. Alle enden sie jedoch auf der Praza do Obradoiro, dem zentralen Platz von Santiago. Läuft man vormittags bis mittags hier entlang, kann man zu jeder Zeit überglückliche Pilgergrüppchen in kribbelbunter Outdoorkleidung, großen Rucksäcken und teilweise auch mit Fahrrädern dabei beobachten, wie sie das Ende ihrer Pilgerreise genießen und Erinnerungsfotos vor der Fassade der Kathedrale machen. Die wird jedoch grade restauriert, und so führt sie der Weg zum Eingang danach einmal außen herum, über drei Plätze, vorbei an Touristenshops, einem Pilgerhospital aus dem Mittelalter, das heute ein Luxushotel beherbergt und einem Brunnen mit Nexusköpfen, die von vielen einfach für Pferde gehalten werden. Und dann, schließlich, stehen sie vor dem Portico das Praterías Schlange, um in die Kathedrale zu gehen, die Statue des heiligen Jakob zu umarmen (einige wollen auch unbedingt seinen Fuß küssen…) und die Krypta mit dem sa(r)genumwobenen Totenschrein zu besuchen. Ich gehe noch einen Schritt weiter und steige der Kathedrale (ohne Fußkuss) aufs Dach. Wortwörtlich, das kann man nämlich auch besuchen. Leider ist das Wetter, wie so oft in Santiago, nicht das beste und die Aussicht leidet deutlich unter Nebel und Regen, aber Hauptsache dagewesen!

Auch Naturliebhaber (ja, hier! :D) kommen in Santiago nicht zu kurz – direkt in Nachbarschaft der Altstadt befindet sich die Alameda, ein großer Park mit wunderschönen, uralten Eichen und Ausblicken über Altstadt samt Kathedrale und historischen Universitätscampus – Santiago hat nämlich (direkt nach Salamanca) die zweitälteste Universität Spaniens, und auf dem sehr grünen Campus und darüber hinaus sorgen tausende Studenten neben den Pilgern zusätzlich dafür, dass diese Stadt nie alt wird, sondern sich immer ihre jugendliche Unbeschwertheit erhält.

Auch außenherum gibt es eine Menge zu sehen, und zu meinem außerordentlichen Glück hat eine meiner Gastgeberinnen nicht nur einen freien Tag, sondern auch noch ein Auto, und so bekomme ich von einem der Berge aus einen wunderschönen Ausblick auf Santiago von oben, und in die andere Richtung auf die endlos scheinenden galicischen Waldgebiete. Ein bisschen erinnert mich das hier an den Brocken im Harz… vielleicht nicht zuletzt auch aufgrund der Antennen und der Waldbrand-Wachstation?

Auf dem gegenüberliegenden Hügel befindet sich dann noch ein ziemlich avantgardistisches Bauprojekt: Im Modernisierungswahn des neuen Jahrtausends ließ Santiago hier 2004 die Ciudad de la Cultura, die Kulturstadt, errichten. Diese beherbergt ein Museum, die Stadtbibliothek samt Archiv, ein Konzerthaus und vieles mehr. Sie gibt natürlich tolle Fotomotive her, und lädt doch auch ein wenig zum Nachdenken ein – irgendwie scheint alles ein bisschen verlassen hier. Da doch recht weit weg von der Innenstadt verirren sich letztendlich viel weniger Leute hierher als geplant, und auf den futuristisch geschwungenen Gebäudedächern und den dazwischenliegenden Plätzen wächst schon Gras aus allen Fugen – letztendlich wurde hier wohl deutlich zu groß gedacht und eine riesige Stange Geld für ein Prestigeprojekt verpulvert, das jetzt woanders fehlt. Wenigstens hat man die Seilbahn von der Altstadt bis auf den Hügel dann doch nicht gebaut, nachdem die UNESCO drohte, der Altstadt sonst den Weltkulturerbestatus abzuerkennen…

Auf jeden Fall ist Santiago eine sehr vielseitige Stadt, und ganz besonders der Camino verleiht ihr etwas spezielles, unverwechselbares, einen ganz eigenen Charakter. Mir hat’s jedenfalls super gefallen hier! Aaber ganz das Ende vom Camino ist Santiago noch nicht, es gibt noch eine Erweiterung bis zum Kap Finisterre, dem wirklichen „Ende der Welt“ – dazu aber nächstes Mal mehr! 🙂

Und am Ende der Straße steht ein Haus an der See…

Und am Ende der Straße steht ein Haus an der See…

Das ist doch bloß Peter-Fox-Romantik? Mitnichten. Dieser Traum existiert wirklich! Und ich bin mittendrin! Aber langsam und von vorne…

Stellt euch vor, nach einer langen Inlandstour entlang der portugiesischen Grenze, durch das Hochland von Castilla y Leon und die Gebirge Galiciens seid ihr endlich wieder am Meer (oder sowas ähnlichem, siehe vorheriger Artikel 😉 ) in Pontevedra angekommen. Nun gibt es aber ganze zwei Busse am Tag, die noch eineinhalb Stunden weiterfahren. Entlang der Küste des fjordartigen Einschnitts, durch Ferienorte voller Hotels, entlang goldener Strände, immer wieder mit Ausblicken über den Ría de Pontevedra. Nach unzähligen Halten in den bekannesten Ferienorten Spaniens (also für die Spanier – nicht die Auslandstouristen) führt eine kleine Straße über einen Damm auf eine vorgelagerte Halbinsel. O Grove, Name der „Stadt“ hier und auch als Bezeichnung für diese Halbinsel gebräuchlich, liegt schon richtig draußen im Atlantik. Nachdem in O Grove am Busbahnhof alle (!) anderen Fahrgäste ausgestiegen sind, fährt der Bus mit mir als einzigem Fahrgast noch eine Viertelstunde weiter, bis schließlich ein altes, verblasstes Ortsschild mit der Aufschrift „San Vicente do Mar“ das Ende der Straße ankündigt. Neben einer winzigen Kapelle inmitten eines Kiefernwäldchens steige ich aus und laufe noch einmal um die Ecke in eine Sackgasse – und endlich bin ich angekommen. Am Ende der spanischen Welt. An der Atlantikküste. Hier, direkt am Strand, ohne eigene Adresse oder Hausnummer, liegt eine urig gemütliche Strandbar mit Livemusikbühne.

Von der Terasse aus ist der Flutsaum keine zwanzig Meter entfernt. Der Blick schweift über die gegenüberliegende Festlandküste, denn der eigene kleine Strand der Bar liegt geschützt auf der Rückseite einer kleinen Landzunge, die ihn vom Atlantik trennt. Während über den Hügeln auf der anderen Seite oft Wolken hängen, die regenschwer vom Atlantik heranziehen und hier aufsteigen, scheint an der Praia da Barrosa fast immer die Sonne – dieser Ort ist nicht nur super gemütlich, sondern hat auch sein ganz eigenes, besonderes Lokalklima!
Und das Beste an der Sache: Diese Bar wird für die nächsten vier Wochen mein Zuhause sein! Denn: Ich habe hier eine Workaway-Stelle.

Workaway, was ist das denn, fragt ihr? Ein gutes Stück verrät schon der Name – Arbeiten, aber dabei „weg“ sein. Workaway ist eine Internetplattform, die Freiwilligenjobs in aller Welt vermittelt. Der gängige Deal ist an fünf Tagen die Woche je fünf Stunden zu arbeiten und dafür Unterkunft und Essen zu bekommen. Geld verdient man dabei zwar nicht, Ausgaben hat man aber auch keine. Freizeit bleibt jede Menge übrig, und kulturellen Austausch und echtes Abtauchen in das wahre Leben in dem Land, abseits der international geprägten Hostels, gibt es auch noch gratis dazu.
Die angebotenen Jobs reichen von Bauernhöfen, ökologischen Gärten und Hausrenovierungen über Kinderbetreuung, Englischnachhilfe und Saubermachen in Hostels bis hin zu ganz besonderen Möglichkeiten, zum Beispiel die Mitarbeit auf einem Segelboot – oder eben in einer Livemusik-Strandbar ganz weit draußen auf einer Halbinsel im Atlantik 😀

Meine Hauptaufgabe hier ist das Kochen – während die Woche über nicht viel los ist und Dienstag und Mittwoch üblicherweise meine freien Tage sind, da noch Vorsaison ist und die Bar nur am Wochenende öffnet, gilt es von Freitag bis Sonntag zweimal täglich fünf bis zwanzig Leute mit Essen zu versorgen – dazu gehören Personal, Kellner, Freunde und Musiker. Da der gemeinsame Nenner aller Sonderwünsche bedeutet, dass das Essen in der Regel vegan, glutenfrei und low-carb ist, gibt es jeden Tag ziiemlich viel Gemüse zu zerkleinern, und der Abwechslung halber jeden Tag möglichst verschieden zuzubereiten. Aber gerade in der Küche macht die Arbeit Spaß, und so vergehen die 5 Stunden immer wie im Fluge. Und fast jeden Tag habe ich Zeit, am Nachmittag ein paar Stunden am Strand zu liegen, die Sonne zu genießen und im Meer zu baden. Das jedoch nie wirklich länger als eine Minute, denn das Wasser ist hier noch ziemlich kalt und das Bad fühlt sich eher nach Schockfrosten als nach Abkühlung an. Aber soll ja gesund sein 😉

Zum Baden gehe ich meistens noch ein paar Strände weiter. Das dauert hier gar nicht lange, denn rund um die Halbinsel reiht sich ein Strand an den nächsten, unterbrochen nur durch ein paar schroffe Granitfelsen, die den Atlantikwellen seit Jahrtausenden trotzen. Vom Sporthafen von San Vicente do Mar, vorbei an meiner Strandbar, führt ein Steg aus Holzplanken weiter durch das Naturschutzgebiet, dass sich gleich westlich anschließt. Über einen Kilometer kann man hier zwischen Granitfelsen, Kiefernwäldchen und einsamen Stränden entlanglaufen, und danach geht das ganze als Trampelpfad noch einige weitere Kilometer so weiter. Besonders gerne ist bei diesen Spaziergängen auch Haus-/Barhund León dabei. Sein Kumpel Golfo ist eher behäbig und dehnt seine Spaziergänge selten über den „eigenen“ Strand hinaus aus – wenn er wüsste, was er dabei verpasst:

Am Ende des Holzstegs liegt dann der schönste aller schönen Strände hier, und dort verbringe ich viel meiner Zeit – zum Baden, in die Sonne schauen, über die Welt philosophieren, und besonders zum Sonnenuntergänge anschauen. Die sind hier nämlich auch sehr beeindruckend, und man kann die Sonne gleich mehrmals untergehen sehen. Erst hinter einem kiefernbestandenen Hügel, dann ein paar Schritt weiter hinter den Granitfelsen und noch ein paar Meter weiter dann als große rote Scheibe, die im endlosen Atlantik versinkt. Und wenn es mal was besonderes sein soll, dann schnappe ich mir stattdessen ein Kayak (die kann man bei der Bar mieten – oder als „Workawayer“ einfach so nehmen wann man will 😉 ) und paddle damit in den Sonnenuntergang.

Anscheinend habe ich mal wieder genau die richtige Zeit erwischt – im Sommer ist San Vicente do Mar wohl nämlich ein richtig geschäftiger Ferienort. Berichten zufolge macht ganz Madrid hier, fernab von ausländischen Touristenströmen, seinen Sommerurlaub, da hier aufgrund der Atlantiknähe die Temperaturen „nur“ bis etwa 32° C, nicht weit jenseits der 40° wie im Inland um Madrid, ansteigen. Dann sieht man den Strand vor lauter Handtüchern nicht mehr, in der Bar arbeiten etwa zwanzig Kellner gleichzeitig und jeden Tag gibt es zwei bis drei Konzerte.
Jetzt ist San Vicente jedoch eine Art Geisterstadt. Riesige Appartmentkomplexe reihen sich aneinander, es sind jedoch alle Rolläden unten. Der Supermarkt öffnet nur Freitag und Samstag, weil über die Woche nicht mehr als eine Handvoll Leute hier wohnen. An heißen Wochenenden bekommt man schon einen kleinen Vorgeschmack darauf, wie dieser Ort im Sommer vielleicht aussehen könnte – und doch möchte man sich das gar nicht wirklich vorstellen. Ich finde es auf jeden Fall so wie jetzt genau richtig – ab und zu was los, das Wetter schon schön, die meiste Zeit hat man aber die Strände, Straßen und Wäldchen noch fast für sich alleine.

Nach so langer Zeit unterwegs tut es dannn auch wirklich mal gut, länger an einem Ort zu bleiben und ein bisschen sowas wie Alltag zu haben, statt jeden Tag etwas neues zu erkunden… und wenn dieser Alltag in einer derart paradiesischen Umgebung stattfindet – was will man eigentlich meer? 😀